Einleitung
Nach dem ersten Teil unserer Erläuterungen zu den Verspätungsgründen im deutschen Eisenbahnverkehr geht es nun direkt mit dem zweiten Teil weiter.
Verspätung im Ausland
Auch in unseren Nachbarländern können Verspätungen auftreten. Bei grenzüberschreitenden Verbindungen wird diese Begründung gewählt, wenn die genaue Ursache dafür nicht bekannt oder nicht übermittelt wird.
Bereitstellung weiterer Wagen
Werden zusätzliche Wagen oder Zugteile an einen Zug angekuppelt und ist dies nicht im Jahresfahrplan vorgesehen gewesen, können Verspätungen entstehen. Gründe für das Bereitstellen weiterer Wagen können beispielsweise die kurzfristige Erhöhung der Sitzplatzkapazität oder auch das Überführen leerer Wagen oder Zugteile an einen anderen Standort sein. Das Rangieren und eigentliche Ankuppeln benötigt einige Minuten. Außerdem muss sichergestellt werden, dass alle – auch „neuen“ Bremsen – ordnungsgemäß funktionieren. Zuletzt müssen die notwendigen Informationen über den Zug und dessen Eigenschaften (Länge, Masse, Bremsvermögen, maximale Geschwindigkeit,…) in allen Systemen angepasst werden.
Abhängen von Wagen
Irgendwann sind die zusätzlichen Wagen bzw. Zugteile an ihrem Ziel und müssen abgekuppelt werden. Wie bei der Bereitstellung kann dies nicht in allen Fällen bereits im Fahrplan berücksichtigt und innerhalb der Haltezeit am Bahnsteig erledigt werden.
Technische Störung am Bus
Für Ersatzverkehre mit Bussen – welche im Zuge der Generalsanierung der Hochleistungskorridore deutlich zunehmen werden – steht dieser neue Verspätungsgrund zur Verfügung. Auch Busse sind technische Geräte und können von Zeit zu Zeit eine Störung aufweisen, welche das Weiterfahren verzögern oder ganz verhindern kann. Gut, dass die Fahrgastinformation bei Ersatzverkehren stetig zunimmt! Was aus Sicht der Reisenden darüber hinaus noch wünschenswert ist, haben wir bereits in einem anderen Artikel aufgezeigt.
Gegenstände auf der Strecke
Es wurden Gegenstände auf der Strecke entdeckt oder werden vermutet, die dort nicht hingehören. Diese können z. B. durch starken Wind (wie eine Plane) oder auch mutwillig dorthin gelangt sein. Um die Sicherheit zu gewährleisten und Personen- oder Sachschäden zu vermeiden, wird die Strecke entweder kurzzeitig gesperrt oder ein „Erkundungszug“ befährt mit langsamer Geschwindigkeit den betroffenen Bereich. Beides zieht Verspätungen nach sich.
Ersatzverkehr mit Bus ist eingerichtet
Dies ist der Hinweis für die Reisenden, dass ein Zug zwar nicht wie geplant fahren kann. Er fällt also entweder auf einer Teilstrecke oder vollständig aus bzw. fährt eine Umleitung, aber eine Ersatzbeförderung mit Bussen auf der Straße steht zur Verfügung.
Bauarbeiten
Bauarbeiten sollten in den veröffentlichten Fahrplänen berücksichtigt sein. Leider sind manchmal kurzfristig Bauarbeiten notwendig oder eine geplante Baumaßnahme verzögert sich und kann erst außerhalb des geplanten Bauzeitfensters abgeschlossen werden. Dann steht ein Teil der Infrastruktur nicht oder nur eingeschränkt (z. B. mit geringerer Geschwindigkeit) zur Verfügung und es entstehen Verspätungen.
Längere Haltezeit am Bahnhof
Ein Zug steht länger am Bahnsteig als geplant. Diese konkrete Begründung ist der Nachfolger von „Unterstützung beim Ein- und Ausstieg“. Dies bedeutet, dass Reisende nicht komplett selbständig den Zug betreten oder verlassen können. Während im Nahverkehr in vielen Fällen ein stufen- und spaltfreier bzw. -armer Einstieg möglich ist, müssen bei allen aktuellen deutschen Fernverkehrszügen Stufen überwunden werden. Erst der kommende ICE L wird einen stufenfreien Einstieg an den meisten Bahnsteigen bieten. Zum Überwinden der Stufen ist daher bei eingeschränkter Mobilität der Einsatz eines Hublifts erforderlich. Diese existieren als Hubwagen auf dem Bahnsteig und fest installierten Hubliften im Zug. Beides benötigt eine gewisse Zeit, welche die zum Teil knappe Haltezeit überschreiten kann.
Reparatur an der Oberleitung
Die Oberleitung über dem Gleis versorgt elektrische Fahrzeuge mit der notwendigen Energie. Aufgrund einer Störung kann sie nicht oder nur eingeschränkt verfügbar sein, sodass die elektrischen Fahrzeuge den betroffenen Bereich nicht befahren können. Äste oder andere Gegenstände in der Oberleitung können nicht nur unmittelbar Kurzschlüsse auslösen, sie können auch den Stromabnehmer eines vorbeifahrenden Zuges beschädigen, welcher dann wiederum die Oberleitung selbst beschädigt. Mitunter lösen Tiere, welche auf einem Isolator sitzen und eine leitende Überbrückung herstellen, einen Kurzschluss aus. Für die Reparatur solcher Schäden muss der betroffene Schaltabschnitt („Stromkreis“) der Oberleitung ausgeschaltet und geerdet werden. Diese Schaltabschnitte umfassen im Bahnhof heute noch häufig mehrere Gleise, sodass diese währenddessen nicht nutzbar sind und Verspätungen durch das Warten auf ein freies Gleis entstehen.
Reparatur an einem Signal
Signale zeigen in der einfachsten Form, ob der nächste Streckenabschnitt frei ist und befahren werden darf. Sie werden in der Regel von einem Stellwerk gesteuert. Durch die mechanische, elektrische oder digitale Ansteuerung sowie die mechanischen oder optischen Anzeigen sind sie trotz höchster Standards an die Verfügbarkeit und Sicherheit nicht frei von Störungen. Im Falle einer Störung ist immer sichergestellt, dass ein Signal „Halt“ zeigt, also kein weiterer Zug passieren darf. Zur Behebung der Störung ist nicht immer eine Reparatur im Sinne von Techniker vor Ort notwendig. Dennoch wird durch die notwendige Rückfallebene die Leistungsfähigkeit stark reduziert, sodass es zu Wartezeiten kommen kann, die Reisende dann als Verspätungen wahrnehmen.
Streckensperrung
Aus einem nicht näher genannten Grund ist eine Strecke total gesperrt, sodass dort keine Züge mehr fahren können. In den meisten Fällen wird versucht, den Fern- und den Güterverkehr umzuleiten. Der Nahverkehr fällt in der Regel auf dem betroffenen Abschnitt aus und ein Ersatzverkehr mit Bussen sollte eingerichtet werden.
Technische Störung am Zug
Schienenfahrzeuge sind äußerst komplexe technische Maschinen. Störungen der technischen Einrichtungen sind daher nicht vollständig zu vermeiden. Je nach Ursache der Störung kann dies eine Verspätung von wenigen Minuten, über mehrere 10 Minuten bis hin zum vollständigen Ausfall eines Zuges bedeuten.
Kurzfristiger Fahrzeugausfall
Analog zu Personal können auch Fahrzeuge kurzfristig (aufgrund von Defekten) ausfallen. Steht dann am selben Ort kein Ersatzfahrzeug zur Verfügung, wirkt sich das direkt auf die Reisenden in Form eines Zugausfalls aus.
Reparatur an der Strecke
Es liegt ein technischer Grund für eine eingeschränkte Nutzbarkeit der Infrastruktur vor, der Grund ist entweder noch nicht bekannt oder wird nicht weiter differenziert. Mögliche Gründe können die Gleislage, die Oberleitung oder die Sicherungstechnik (Stellwerke und Signale) sein. Je nach genauem Auslöser steht die Strecke bis zur Behebung gar nicht (Streckensperrung) oder nur eingeschränkt (nur eines von zwei Gleise, geringe Geschwindigkeit) dem Zugverkehr zur Verfügung.
Stau / Hohes Verkehrsaufkommen
Ein weiterer neuer Verspätungsgrund für den Ersatzverkehr mit Bussen. Verspätungen auf der Straße (= Stau!) kennt fast jede:r aus dem Alltag. Dies macht trotz sorgfältiger Planung auch vor Ersatzbussen keinen Halt, sodass hier ungeplante Verzögerungen entstehen können. Immerhin sind die Fahrgäste nun damit über den Grund (und hoffentlich auch die prognostizierte Höhe) der Verspätungen informiert.
Defektes Stellwerk
Stellwerke steuern die Signale und Weichen und sorgen durch ihre Stellwerkslogik für einen gesicherten Betriebsablauf. Im Falle einer Unregelmäßigkeit nehmen sie stets einen sicheren Zustand ein. Dies bedeutet, dass keine Züge fahren dürfen. Gründe für ein nicht funktionierendes Stellwerk können eine Störung in einem seiner Teilsysteme (z. B. ein äußerst seltener Rechnerabsturz), ein langer Stromausfall, Blitzschlag bzw. Hochwasser oder auch Vandalismus sein.
Technischer Defekt an einem Bahnübergang
Bahnübergänge als höhengleiche Kreuzung von Eisenbahn und Straße stellen eine besondere Herausforderung dar. Technisch können Bahnübergänge inzwischen wie kleine, einfacherer Stellwerke aufgefasst werden. Hinzu kommt die Komplexität, die sich aus den Anforderungen des Straßenverkehrs ergeben, beispielsweise die notwendigen Lichtsignalanlagen („Ampeln“) und Schranken. Ist ein Bahnübergang nicht zu 100% funktionsfähig und lassen sich zum Beispiel die Schranken nicht schließen, so müssen Züge vor dem Bahnübergang abbremsen, ggf. anhalten, pfeifen und mit Schrittgeschwindigkeit auf den Bahnübergang zufahren. Dies alles benötigt zwar mehr Zeit als im Normalfall, aber da Sicherheit immer vor Pünktlichkeit steht, werden die entstehenden Verspätungen in Kauf genommen.
Vorübergehend verminderte Geschwindigkeit auf der Strecke
Witterungsbedingt oder aufgrund von Bauarbeiten oder einer Störung darf auf einem Abschnitt nicht so schnell gefahren werden wie normalerweise. Die Fahrzeiten verlängern sich aufgrund der verringerten Geschwindigkeit und führen so potenziell zu Verspätungen.
Verspätung eines vorausfahrenden Zuges
Ein vorausfahrender Zug, der nicht überholt werden kann, fährt verspätet und damit nicht mehr in seiner geplanten Zeitlage. Kann dies trotz des eingeplanten Zeitpuffers zwischen den Zügen (der sogenannten Pufferzeit) nicht ausreichend kompensiert werden, überträgt sich die Verspätung teilweise auf den nachfolgenden Zug.
Warten auf einen entgegenkommenden Zug
Auf eingleisigen Strecken können sich Züge nur auf zweigleisigen Abschnitten oder Kreuzungsbahnhöfen begegnen und kreuzen. Ist der Gegenzug zu spät und kann die Kreuzung nicht an einen anderen Punkt des Netzes verlegt werden, muss eine Zug auf den entgegenkommenden Zug warten. Es können Verspätungen entstehen.
Vorfahrt eines anderen Zuges
Ein Zug muss einen anderen Zug, der aufgrund seiner Eigenschaften oder seiner bestellten und entsprechend bezahlten Trasse Vorrang (also Vorfahrt) genießt, vorlassen. Viele Reisende kennen die „Überholung durch einen Zug des Fernverkehrs“, bei dem der Nahverkehrszug an einem Bahnhof an der Seite wartet und den Fernverkehr passieren lassen muss. Grundsätzlich können auch andere Nahverkehrszüge oder Güterzüge besonderen Vorrang genießen. Absoluten Vorrang genießen immer und überall selbstverständlich Hilfs- und Rettungszüge.
Verspätete Bereitstellung des Zuges
Vor Beginn einer Zugfahrt werden die Fahrzeuge in vielen Fällen aus einem Abstellbereich an den Bahnsteig gefahren. Dies ist die sogenannte Bereitstellung. Verzögert sich diese, können auch die geplante Abfahrt des Zuges verspätet erfolgen. Gründe für eine verspätete Bereitstellung kann eine Störung am Zug, fehlendes Personal oder eine hohe Auslastung des Bahnhofs sein, sodass die Bereitstellung andere Züge abwarten muss.
Zwischenfazit
Damit haben wir bereits 44 der insgesamt 66 aktuellen Verspätungsbegründungen hoffentlich verständlich erläutert. Folgt uns für den letzten Teil dieser Miniserie.