Beschilderung und Fahrgastinformation zwischen Identität und Effektivität

Wegweiser Flughafenbahnhof

So ziemlich das erste, was ein Passagier sieht, wenn er in einem fremden Land aus dem Flugzeug steigt, ist die Beschilderung des Flughafens. Dasselbe gilt für Zugreisende. Oftmals findet sich der Mensch neben der Hektik, die an Verkehrsstation herrscht, in einem Wirrwarr aus Informationen wieder, die auf ihn einprasseln: bunte Werbebanner, Geschäfte, Schilder, Ansagen, Musik. Essenziell ist daher, dafür zu sorgen, dass der Fahrgast wesentliche Informationen von unwesentlichen Informationen unterscheiden kann und vor allem zügig und intuitiv an sein Ziel kommt (Effektivität). Der Gestaltung von wegweisender Beschilderung kommt daher eine entscheidende Rolle zu.

Wegweisung im europäischen Vergleich

Zu einer guten Beschilderung gehört die sorgfältige Auswahl einer Schriftart und Farbe. Darüber können Emotionen vermittelt werden, die Identität eines Infrastruktur- oder Verkehrsunternehmens zum Ausdruck gebracht werden und die Effektivität hinsichtlich Lesbarkeit und Interpretation gesteuert werden. 

Farben führen unweigerlich zu einer emotionalen Reaktion; sie können als warm oder kalt, erregend oder beruhigend empfunden werden. In verschiedenen Kulturräumen können Farben auch unterschiedlich interpretiert werden. So ist beispielsweise die Farbe für Trauer in Europa Schwarz, in Asien dagegen Weiß. Die Wahrnehmung von Farben steht zudem in engem Zusammenhang mit dem Beleuchtungskonzept, der Leuchtkraft oder Farbkontrasten mit der Raumgestaltung [1].

Die Deutsche Bahn hat ihre Wegweisung etwa um das Jahr 2000 von weiß auf dunkelblau umgestellt, wie inzwischen fast alle europäischen Länder. Auch viele Flughäfen nutzen diese Farbe, die Seriosität und Modernität vermittelt. Gelb wird übrigens auch gerne genutzt, seitdem es in den 60er-Jahren vom Flughafenverband ADV empfohlen wurde. Auf Bahnhöfen in Deutschland wird die Farbe Gelb für alle Serviceeinrichtungen auf Wegweisern verwendet. Blau hingegen wird für alle elementaren Informationen wie Gleisangaben, Ausgänge, aber auch Informationen zu Aufzügen, Fahrkartenverkauf oder Schließfächern genutzt. Informationen zum städtischen Nahverkehr sind grau hinterlegt. Für Schienenersatzverkehr hat sich die Farbe Violett etabliert.

Oftmals spielt die Vermittlung von Identität eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung eines Wegweisungssystems: Infrastrukturbetreiber und Verkehrsunternehmen wollen in der Regel ihren Wiedererkennungswert steigern, indem sie auf allen Bahnhöfen ein gleiches Farb- und Gestaltungsschema anwenden. Auch für den Fahrgast bietet das Vorteile, wenn er sich nicht umgewöhnen muss und die zur Orientierung notwendigen Informationen direkt extrahieren und interpretieren kann.

Piktogramme sind ein weiteres wesentliches Element in der Wegweisung: Sie sind unabhängig von der gesprochenen und geschriebenen Sprache, platzsparend und ermöglichen eine rasche Übertragung und Erfassung von Information. Vorausgesetzt, sie sind eindeutig – darin besteht die wohl größte Herausforderung. Für die Interpretation von Piktogrammen ist die Zielgruppe und deren soziokultureller Hintergrund von entscheidender Bedeutung. Es ist regelmäßig zu hinterfragen, ob die gewählten Symbole noch zeitgemäß sind oder eine Überarbeitung bedürfen, vor allem, wenn neue Services ihren Platz an Bahnhöfen oder Flughäfen finden: Ladestationen für Elektrofahrzeuge, Formen der Mikromobilität, Ridesharing, Self-Check-in oder Corona-Schutzmaßnahmen [1].

In fact, the secret ambition of design is to become invisible, to be taken up into the culture, absorbed into the background. The highest order of success in design is to achieve ubiquity, to become banal.

Bruce Mau [2]

Nachfolgend eine Übersicht verschiedener Stationsschilder in Europa. Schilder mit Bahnhofsnamen zählen dabei zu den „Identification Signs“, welche den Namen und/oder die Funktion eines Ortes angeben und zumeist an Beginn oder Ende einer Route (Reise) stehen. Wie der Name schon sagt, kann dieser Typ von Beschilderung durchaus Identität in besonderer Weise zum Ausdruck bringen, auch wenn dies bei Stationsschildern zumeist dezent geschieht [3]. So ist auf dem Stationsschild von Madrid am linken Rand ein grüner Streifen erkennbar, der aus dem Corporate Design der Infrastrukturgesellschaft ADIF stammt. In den Niederlanden findet sich ein weißes Quadrat in der linken, oberen Ecke auf jedem Schild oder Piktogramm mit Bezug zur Verkehrsstation. Damit ist intuitiv erkennbar, dass es sich um eine Beschilderung innerhalb dieser handelt. Andere Länder wie Italien, Norwegen, Österreich oder Deutschland setzen auf eine schlichte Gestaltung mit blauem Hintergrund, sodass die Corporate Identity lediglich durch die Wahl der Schriftart erkennbar wird. Das kann unter Umständen auch beabsichtigt sein, um die Reisenden nicht zu sehr mit dem Unterschied zwischen Eisenbahninfrastrukturunternehmen (als Betreiber der Verkehrsstation) und Eisenbahnverkehrsunternehmen (als Betreiber der Züge, was die Kunden im Regelfall wahrnehmen) zu verwirren.

Ein ander Typus von Beschilderung sind „Directional Signs“, welche den Weg weisen. Hier kommt es in besonderem Maße auf Erkennbarkeit und Eindeutigkeit an [3].

Ein dritter Typ von Beschilderung stellen die sogenannten „Orientation Signs“ dar. Dabei handelt es sich in der Regel um Kartendarstellungen von Verkehrsstationen oder Umgebungspläne [3]. Aber auch die in den folgenden Abschnitten behandelten Abfahrtstafeln zählen im weitesten Sinne dazu. Idealerweise harmonieren alle drei Arten von Beschilderung miteinander, sodass eine reibungslose Orientierung und Navigation innerhalb einer Verkehrsstation und innerhalb eines Verkehrssystems möglich ist.

Fahrtinformationen im öffentlichen Verkehr

Neben der statischen Information zur Position („Wo bin ich?“), sind auch statische oder dynamische Informationen zur Fahrt selbst von Relevanz. Diese sollten sich für ein stimmiges Gesamtbild nahtlos in das Designkonzept der Verkehrsstation einfügen.

Schaubild Berührungspunkte mit Wegweisung

Darstellung von Linienverläufen

Vor allem für Ortsunkundige sehr hilfreich ist die Darstellung des gesamten Linienverlaufs, also aller nachfolgenden Haltestellen. Bei Metrosystemen, bei denen Züge einer Richtung immer vom selben Gleis verkehren, kann die Information statisch erfolgen. Ansonsten bietet sich eine dynamische Darstellung an. In den Niederlanden werden alle Halte auf dem Zugzielanzeiger dargestellt – der Übersichtlichkeit halber wäre jedoch eine an die statische Form angelehnte Darstellung auf entsprechenden Displays besser. Oder direkt eine Implementierung in eine Smartphone-App – dies setzt jedoch einen einfachen Abruf z.B. über Ortung oder Eingabe der Gleisnummer voraus.

Darstellung der Fahrtziele

Auch im Zeitalter von Smartphones und individueller Fahrgastinformation: Zielanzeiger auf dem Bahnsteig sind von essenzieller Bedeutung, um dem Fahrgast beim Warten auf den Zug sowie beim Einsteigen in den Zug die Gewissheit zu vermitteln, dass er „richtig“ ist. Wichtigste Informationen sind daher das Ziel des Zuges, die Abfahrtszeit (sowohl die geplante, die der Fahrgast auf seinem Ticket stehen hat/im Kopf hat, als auch eine etwaige Verspätung) sowie die Zugnummer. Auch Zwischenhalte sind sehr hilfreich. Analog zu den Gedanken, die bereits oben zur Darstellung von Linienverläufen geäußert wurden, sollte eine Darstellung aller Zwischenhalte (Beispiel Niederlande) bevorzugt werden.

Insbesondere bei Mischverkehren von langsameren Zügen mit Halt an allen Stationen und schnelleren Zügen, die Halte auslassen, ist das eine wichtige Information, die Verwirrung vermeiden kann. Weiterhin sinnvoll ist die Anzeige des aktuellen Wagenstands. Im Fernverkehr ist das schon weit verbreitet – allerdings besteht noch wesentliches Verbesserungspotenzial. Und auch im Nahverkehr kann die Anzeige sinnvoll sein, damit die einsteigenden Fahrgäste wissen, wo sich das Mehrzweckabteil oder die erste Klasse befinden (siehe Beispielfoto aus Oslo). Dies kann auch zu einer verbesserten Einhaltung der Haltezeiten führen und damit die Pünktlichkeit erheblich verbessern. Wie auf dem obigen Foto (Beispiel Mannheim Hbf) erkennbar, wird in Deutschland derzeit ein neues Layout ausgerollt, das die Folgezüge in horizontaler Folge darstellt und somit mehr Platz für weiterführende Informationen wie Zwischenhalte ermöglicht.

Abfahrtstafel und Transfers

Egal ob an Flughäfen oder Bahnhöfen, die Abfahrtstafel in der Empfangshalle ist ein wesentliches Wiedererkennungsmerkmal einer großen Verkehrsstation, das eine gewisse Weltgewandtheit zum Ausdruck bringt und einen Überblick über alle erreichbaren Ziele liefert. Rein funktional ist die Anzeige vor allem dann hilfreich, wenn etwa eine Anschlussverbindung nicht erreicht wird und sich der Fahrgast über eine alternative Reisemöglichkeit informieren möchte. Unpraktisch ist natürlich, wenn die Empfangshalle nicht auf dem direkten Laufweg liegt, sodass die Darstellung von Abfahrten auf den Bahnsteigen selbst sinnvoller sein kann. In Deutschland gibt es diese Anzeigen bereits auf großen Bahnhöfen entweder auf dem Bahnsteig selbst oder an den Aufgängen zu Bahnsteigen. Eine Alternative wäre ein Anbringen an den Abgängen von den Bahnsteigen, sofern diese von umsteigenden Fahrgästen passiert werden müssen.

Die zwei folgenden Punkte betreffen zwar nicht mehr unmittelbar die Verkehrsstation an sich, werden aber trotzdem kurz erwähnt, da sie für ein stimmiges Gesamtkonzept über die gesamte Reisekette durchaus doch ihre Relevanz haben.

Fahrgastinformation im Fahrzeug

Nicht nur am Bahnhof, sondern auch im Zug führt eine gut funktionierende Fahrgastinformation zu einem verbesserten Reiseerlebnis. Mindestanforderung sind hier die Anzeige der Wagennummer zur Orientierung insbesondere für Reisende mit Reservierung, Zugnummer und Zugziel, die Darstellung des nächsten Halts mit etwaiger Verspätung und eine Liste von Anschlusszügen inklusive Echtzeitlage und Gleisänderungen.

Die DB Fernverkehr AG hat das Layout der Fahrgastinformation in ihren ICE kürzlich erneuert. In den nachstehenden Abbildungen ist schön zu erkennen, dass Zugnummer und Uhrzeit konstant angezeigt werden. Während der Fahrt und an Bahnhöfen wird das Zugziel, die Wagennummer (sogar die des nächsten Wagens) sowie der Fahrtverlauf mit Echtzeitdaten angezeigt. Vor Erreichen eines Haltes wechselt das Zugziel zum Namen des Haltes, es werden die Ausstiegsseite sowie Anschlusszüge, ebenfalls mit Echtzeitdaten, dargestellt. Für die Liniennummern der Anschlusszüge wird sogar auf eine gängige Farbcodierung (S-Bahnen in grün, Straßenbahn in rot) zurückgegriffen und somit eine systemübergreifende Wiedererkennbarkeit geschaffen.

Das ist durchaus ein Beispiel für gelungene Fahrgastinformation. Nachteilig ist, dass in anderen Fahrzeugen, seien es Regionalzüge oder Züge anderer Eisenbahnverkehrsunternehmen, ein anderes Layout und Design genutzt wird. Hier wird der Reisende gezwungen, sich jedes Mal umzugewöhnen. Ein Beispiel dafür ist auch die Reihenfolge der „Perlenschnur“, also der Darstellung des Linienverlaufs. Je nach Verkehrsunternehmen ist diese von oben nach unten oder von unten nach oben Richtung Ziel zu lesen. Besser wäre hier ein (deutschlandweit) standardisierter Ansatz, der bei allen Verkehrsunternehmen in Bus und Bahn umgesetzt wird. Bei der Gestaltung könnten auch Freiräume für Logos der Verkehrsunternehmen oder Verkehrsverbünde berücksichtigt werden. Das stellt dann nicht nur Werbung dar, sondern dient auch als Anhaltspunkt für den Fahrgast, wer ihn gerade befördert.

Idealerweise schließt sich hier der Kreis und die Darstellung der Anschlusszüge im Fahrzeug sieht genauso aus wie die Darstellung der Anschlusszüge am Bahnsteig und in mobilen Applikationen, sodass sich der Reisende unmittelbar zurechtfindet.

Wegweisung für Rad- und Fußverkehr

Im direkten Umfeld von Verkehrsstation schließt sich Wegweisung für Rad- und Fußverkehr an. Ziel und Entfernung werden oftmals ergänzt durch Routennummer oder ein Knotenpunktsystem. Hier kommt es zwangsläufig zu einem Systembruch, also einem Wechsel von Wegweisungs- und Farbkonzept. Der Übergang zwischen Wegweisungssystemen sollte dabei intuitiv erfolgen. Das aus dem Kontext des Informationsdesigns stammende „Gesetz der Ähnlichkeit“ besagt, dass ähnlich aussehende Elemente als zusammengehörend wahrgenommen werden [2]. Dieser Grundsatz sollte beim Design von Wegweisung beachtet werden: Der Reisende sollte immer intuitiv wissen, in welchem „System“ er sich gerade befindet. So sollte sich die Wegweisung für die Verkehrsstation beispielsweise von der kommunalen Wegweisung für den Fußverkehr unterscheiden.

Wegweisung Amsterdam Centraal
Beispiel für das gestaltpsychologie „Gesetz der Nähe“ in Amsterdam Centraal [Foto: Daniel Meurer]

Neben dem Gesetz der Ähnlichkeit gilt in der Gestaltpsychologie auch das „Gesetz der Nähe“, nach dem Elemente von uns als zusammengehörend wahrgenommen werden, sofern sie in räumlicher Nähe angeordnet sind [2]. Nachfolgendes Beispiel – wieder aus dem Bahnhofskontext – verdeutlicht dies. In der ersten Zeile des Wegweiser findet sich das Symbol für „Züge“ und mit nur geringem Abstand folgen die Gleisnummern, welche in der jeweiligen Richtung erreicht werden können. Es ist sofort ersichtlich, dass die Nummern zum Piktogramm gehören. Noch stärker wird dies in der Zeile dadurch erreicht, dass die erreichbaren Metrolinien mit einem Kasten direkt an das Piktogramm für Metro anschließt. Uneindeutigkeiten durch die Piktogramme, sofern sie beim Betrachter auftauchen, werden durch die Beschriftung dieser auf ein Minimum reduziert. Und wer genau hinsieht, findet sogar die Piktogramme auf den Abfalleimern im selben Stil wie die auf den Wegweisern.

Schafft man es, über Beschilderung und Fahrgastinformation Identität zu vermitteln, also das Wissen, in welchem System und in wessen Verantwortung sich der Reisende befindet, als auch Effektivität zu bewirken, sprich das zügige Erreichen des vom Reisenden angesteuerten Ziels, gelingt es darüber letztlich, die Kundenzufriedenheit erheblich zu steigern.

Wichtig dabei ist, immer den Kontext der jeweiligen räumlichen Situation mit einzubeziehen. Dabei sind Ortsbegehungen unerlässlich, um die Wirkung des Raums und die Notwendigkeit einer Führung durch den Raum einerseits und die maßgeblichen Quellen und Senken des Fahrgastflusses andererseits zu erfassen. Gute Beschilderung und Fahrgastinformation liefert Orientierung im Raum (Identification Signs, „Wo bin ich?“) und Navigation durch den Raum (Directional Signs, „Wie komme ich zu meinem Ziel?“).

Verbesserungswürdige Wegweisung in Bratislava
So vielleicht nicht – Wegweisung im Bahnhof von Bratislava [Foto: Daniel Meurer]

Literatur:
[1] Nehl, H.; Schlaich, S.: Airport Wayfinding. Niggli, 2021.
[2] Weber, W.: Kompendium Informationsdesign. Springer, 2008.
[3] Gibson, D.: The Wayfinding Handbook. Princeton, 2009.