In Aachen ist seit November 2020 entlang der gesamten Oppenhoffallee ein Überholverbot einspuriger Fahrzeuge ausgewiesen [1].
Dieses Verkehrszeichen (Zeichen 277.1) wurde mit der Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) am 28.04.2020 eingeführt und wird von der Stadt Aachen verwendet, um die Verkehrsteilnehmer:innen für die beengten Verkehrsverhältnisse der Oppenhoffallee zu sensibilisieren. Ein sicheres Überholen mit einem Mindestüberholabstand von 1,50 m ist dort mit den parkenden Fahrzeugen am Fahrbahnrand nicht möglich. Wir haben vor kurzem in unserer Kategorie „MOVE to know“ das Verkehrszeichen vorgestellt.
Warum haben wir die Einhaltung des Überholverbotes erhoben?
Das MOVEforward-Team hat die Erfahrung gemacht, dass das Überholverbot in der Oppenhoffallee subjektiv betrachtet eher selten eingehalten wird. Daher haben wir beschlossen, das Ganze objektiv zu bewerten, indem wir eine eigene Verkehrserhebung durchführen.
Was haben wir erhoben?
Erhoben wurde das Verkehrsaufkommen von Kraftfahrzeugen (Kfz) und Fahrrädern sowie die Anzahl der (nicht) durchgeführten rechtswidrigen Überholvorgänge in aggregierten 15-Minuten Intervallen. Wir haben die Anzahl der Kfz gezählt, die Radfahrende auf dem Erhebungsabschnitt vollständig überholt haben (durchgeführter Überholvorgang). Nicht durchgeführte Überholungen haben wir dann gezählt, wenn ein Kfz offensichtlich bewusst hinter einem Radfahrenden blieb und die Fahrgeschwindigkeit diesem angepasst hat.
Wann haben wir erhoben?
Verkehrliche Erhebungen finden immer an einem Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag außerhalb von Wochen mit Feiertagen oder Ferien statt [2]. So können die Einflüsse von Wochenendpendlern oder Urlaubsfahrten reduziert werden. Unsere Erhebung haben wir am Mittwoch, den 03. Mai 2023 im Zeitraum von 17:30 bis 19:00 Uhr durchgeführt – nicht ganz richtlinienkonform, da die Woche den Maifeiertag beinhaltet. Aus privaten, terminlichen Gründen haben wir die Erhebung dennoch durchgeführt, um euch noch vor den anstehenden weiteren Feiertagen und Sommerferien unsere Ergebnisse vorstellen zu können.
Wo haben wir erhoben?
Wir haben sowohl in Fahrtrichtung (FR) Innenstadt (FR West) als auch stadtauswärts (FR Ost) erhoben. In FR West haben wir den Bereich zwischen Viktoria- und Charlottenstraße untersucht und in FR Ost zwischen Haßlerstraße und Viktoriaallee.
Ergebnisse
Die Ergebnisse der Untersuchung sind im folgenden Diagramm dargestellt.
Die zugehörigen Tabellen sind ebenso nach Fahrtrichtung getrennt nachfolgend aufgeführt.
Uhrzeit | Anzahl Kfz | Anzahl Rad | Anzahl Überholungen (gesamt) | Anzahl Nicht-Überholungen (gesamt) |
---|---|---|---|---|
17:30 – 17:45 | 127 | 11 | 8 | 4 |
17:45 – 18:00 | 111 | 7 | 3 | 2 |
18:00 – 18:15 | 107 | 14 | 3 | 4 |
18:15 – 18:30 | 119 | 9 | 1 | 3 |
18:30 – 18:45 | 94 | 10 | 3 | 5 |
18:45 – 19:00 | 101 | 12 | 2 | 4 |
Gesamt | 659 | 63 | 20 | 22 |
In Fahrtrichtung West fanden fast genauso viele Überholvorgänge statt wie Nichtüberholungen. Dies bedeutet, dass auf dem kurzen Abschnitt von rund 150 m stadteinwärts fast genauso viele Kfz Radfahrende überholt als dass Kfz Radfahrende nicht überholt haben.
Uhrzeit | Anzahl Kfz | Anzahl Rad | Anzahl Überholungen (gesamt) | Anzahl Nicht-Überholungen (gesamt) |
---|---|---|---|---|
17:30 – 17:45 | 165 | 10 | 6 | 5 |
17:45 – 18:00 | 168 | 26 | 8 | 8 |
18:00 – 18:15 | 135 | 12 | 9 | 4 |
18:15 – 18:30 | 142 | 16 | 3 | 9 |
18:30 – 18:45 | 152 | 21 | 10 | 5 |
18:45 – 19:00 | 117 | 12 | 6 | 1 |
Gesamt | 879 | 97 | 42 | 32 |
In die andere Fahrtrichtung fanden mehr Überholvorgänge statt als Nichtüberholungen. Dies bedeutet, dass auf dem kurzen Abschnitt von rund 150 m stadtauswärts mehr Kfz Radfahrende überholt als nicht überholt haben. Es fällt zudem auf, dass stadtauswärts während des Erhebungszeitraums ein höheres Verkehrsaufkommen (Kfz und Radverkehr) vorliegt, da nachmittags Pendler stadtauswärts unterwegs sind.
Oft überholen mehrere Kfz hintereinander einen Radfahrenden. Dies führt zu folgender Annahme: Wenn ein Pkw überholt, werden ggf. auch die dahinter fahrenden Kfz zum Überholen animiert. Ebenfalls wurde in Einzelfällen beobachtet, dass, wenn ein Kfz regelkonform den Radfahrenden nicht überholt, die dahinter fahrenden Kfz-Fahrenden die Geduld verlieren und hupen. Wenn ein Kfz nicht überholt und dann die dahinter fahrenden Kfz nicht überholen können, wirkt sich dies auf die Anzahl der tatsächlich geschehenen Überholungen aus. Dieser Einfluss verfälscht in gewissem Maße unser Erhebungsergebnis, lässt sich aber nicht vermeiden.
Während unserer Erhebung fiel zudem auf, dass die Lichtsignalanlagen (LSA), also die Ampel, auf der Oppenhoffallee einen Einfluss auf das Überholen bzw. Nicht-Überholen der Radfahrenden haben. Zeigt die LSA rot, werden Radfahrende seltener überholt. Außerdem haben wir beobachtet, dass auch Busse Radfahrende überholen.
Unsere Anwesenheit bei der Erhebung hat zudem dazu geführt, dass Kfz-Fahrende nicht überholt haben, da sie sich wahrscheinlich beobachtet / kontrolliert fühlten (insbesondere wenn wir die Erhebungssituation fotografiert haben). Wir gehen davon aus, dass ohne unsere Anwesenheit einige Überholungen stattgefunden hätten, die jetzt aber nicht stattgefunden haben.
Fazit
Unsere Erhebung zeigt, dass trotz verschiedener nicht zu verhindernder Einflussfaktoren das Überholverbot einspuriger Fahrzeuge in der Oppenhoffallee regelmäßig missachtet wird. Auch ohne Beschilderung wäre das Überholen in vielen Abschnitten der Oppenhoffallee aufgrund eines zu geringen Überholabstandes nicht möglich und nicht zulässig. Inwieweit durch die Aufstellung des neuen Verkehrszeichen die Zahl der rechtswidrigen Überholvorgänge reduziert worden ist, können wir durch unsere Erhebung leider nicht beurteilen, da uns keine Zahlen zur Situation vor dem Aufstellen der Verkehrsschilder vorliegen.
Quellen:
[1] https://www.aachener-zeitung.de/lokales/aachen/neues-schild-soll-klarheit-schaffen_aid-54693311, (Online abgerufen am 17.05.2023)
[2] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), 2012: Empfehlungen für Verkehrserhebungen. EVE. FGSV R2 – Regelwerke, 125. Köln: FGSV-Verlag