Radschnellverbindungen in der belgischen Region Flandern – Zu Unrecht im Schatten des Nachbarn Niederlande

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Region Flandern
Region Flandern [1]

In der Region Flandern und damit auch in der Provinz und Stadt Antwerpen entsteht seit 2015 ein Netz aus Radschnellverbindungen. Insgesamt sollen es 2.700 km werden. Das Netz verbindet dabei die Provinzen Antwerpen, Limburg, Ost-Flandern, Vlaams-Brabant und West-Flandern.

Neben der beeindruckenden Netzlänge und der überregionalen Zusammenarbeit zwischen den Provinzen ist vor allem das einheitliche Design und der hohe Wiedererkennungswert der Radschnellverbindungen bemerkenswert. Die Routen sind alle nummeriert und mit einem Symbol (blaues Dreieck mit einem weißen F) markiert. Über Markierungen und Piktogramme auf dem Boden oder über wegweisende Beschilderung kann so dem Verlauf der Radschnellverbindungen intuitiv gefolgt werden, selbst wenn sich die Führungsform für den Radverkehr ändert (zum Beispiel von Radweg auf Fahrradstraße). Die Standards für Radschnellverbindungen, wie notwendige Breiten oder Sicherheitstrennstreifen, sind mittlerweile vorgeschrieben und hoch. Werden diese nicht eingehalten, erfolgt keine finanzielle Förderung durch die Provinzen. 

Die Umsetzung der ersten Routen erfolgte häufig noch sehr pragmatisch. So wurden die blau-weißen Logos zunächst händisch auf den Asphalt gepinselt, um Kosten zu sparen. Mittlerweile lächelt man darüber und geht deutlich professioneller an die Sache heran. Dafür sind viele Streckenabschnitte bereits realisiert. Denn darum geht es letztlich – einen Anfang wagen, auch wenn noch nicht alles standardisiert und in Regelwerken festgehalten ist. Ist der erste Schritt gemacht, kann man aus den eigenen Fehlern lernen und diese beim nächsten Mal, etwa bei der nächsten Route, vermeiden.

In diesem Rahmen ist auch die Gestaltung der Fahrradstraßen in der Provinz Antwerpen hervorzuheben. Durch jahrelange Erfahrung und Weiterentwicklung wurde das Design von Fahrradstraßen optimiert. Der jetzige Stand sieht dunkelrot eingefärbten Asphalt sowie eine Trennung der Fahrtrichtungen durch eine Aufpflasterung in der Mitte vor. Dadurch entstehen zwei schmale Einrichtungsfahrbahnen, die Straße wirkt verkleinert, schmaler und der Kfz-Verkehr passt seine Fahrgeschwindigkeit entsprechend an. Ein Überholen von mittig auf „ihrem Fahrstreifen“ fahrenden Fahrrädern durch Kfz wird durch das vollständige Wechseln des Fahrstreifens mit ausreichendem Überholabstand durchgeführt.

Beschildert sind Fahrradstraßen, wie in den Niederlanden, mit dem Verkehrszeichen „fietsstraat – auto te gast“ (Fahrradstraße – Auto zu Gast). Der Zusatz „Auto zu Gast“ verdeutlicht, verglichen zum in Deutschland verwendeten „Kfz frei“, die Unterordnung des Kfz-Verkehrs besser. Das gilt übrigens auch, wenn sich der Radverkehr unterordnen muss: So werden teils auch für den Radverkehr freigegebene Fußgängerzonen analog mit „Fußgängerzone – Fahrrad zu Gast“ beschildert, gemäß dem Motto: „So wie du willst, dass Autos sich auf Fahrradstraßen benehmen, so benehme du dich in Fußgängerzonen“. Aber das nur als Exkurs.

Besonders interessant, vor allem auch für Planer:innen, ist die unten gezeigte Verkehrsführung, in der die Überleitung des straßenbelgeitenden Zweirichtungsradweges in die Fahrradstraße gegenüber dem einbiegenden Kfz-Verkehr bevorrechtigt ist. Der Radverkehr kann also direkt vom Radweg in die Fahrradstraße einbiegen sowie von der Fahrradstraße auch direkt auf den Zweirichtungsradweg fahren. Die Bevorrechtigung ist über die durchgängige dunkelrote Asphaltierung sowie eine Beschilderung und Markierung durch Haifischzähne (weiße Dreiecke) verdeutlicht.

In Deutschland könnte man von den niederländischen und belgischen Erfahrungen längst profitieren und Gestaltungsweisen adaptieren. Dass eine Fahrradstraße, wie sie in Antwerpen umgesetzt worden ist, den Verkehr allein durch die Optik beruhigt und die Präsenz und Bevorrechtigung des Radverkehrs verdeutlicht, ist allein schon auf den Bildern erkennbar. Aber ein einfaches Nachahmen dessen, was in anderen Ländern erprobt und (auch über Jahre) entwickelt wurde, ist in Deutschland oft unmöglich und unerwünscht. Vielmehr konzentriert man sich darauf, dass jedes Bundesland, jede Kommune dem Ganzen seine eigene Gestaltung, seine eigene Handschrift aufdrückt. Über Markierung, Farbgebung und Knotenpunktgestaltung wird immer wieder neu diskutiert und ohne Leitfaden geht schonmal gar nichts – doch der Thematik und Problematik von Fahrradstraßen in Deutschland wird ein eigener Beitrag gewidmet.

In Belgien dagegen hat man es zumindest in diesem Projekt geschafft, pragmatisch, kooperativ und einheitlich ein Netz von Radschnellwegen auf die Beine zu stellen. Dieses wurde, selbst als es noch primitiver und nicht komplett standardisiert war, schon real auf die Straße gebracht und durch die Menschen erfahren werden konnte. 

Mehr Infos und insbesondere die einzelnen Routen findest du hier: https://fietssnelwegen.be/fietssnelwegen.

Weitere Best Practices zeigen wir auf unserer Karte.

Quellen:
[1] Wikimedia Commons/Tschubby, vollständige Lizenzbedingungen siehe https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Region_Flandern_2019.png 
[2] Offizielle Website fietssnelwegen.be, online abgerufen am: 18.11.2021: https://fietssnelwegen.be/over-ons

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