Deutschland: Fahrradmitnahme in Fernzügen

Fahrräder am Bahnsteig in Berlin

Wie wäre es mal mit einem Fahrradurlaub? Und zwar mit einer Tour von Schwerin nach Neustrelitz, denn gerade durch die An- und Abreise mit dem Zug sind One-Way-Touren ideal. Die Route war schnell geplant, Unterkünfte zu finden im Corona-Sommer mit vielen heimischen Tourist:innen schon schwieriger. Vor neue Herausforderungen hat mich allerdings auch die Buchung der Tickets und die Reise an sich gestellt. Hier ein kleiner Auszug meiner kleinen und großen Eskapaden.

Ticketbuchung

Wer in Deutschland eine Fahrradreise mit der Bahn plant, muss (leider) mit einigen Hürden rechnen. Los geht es bei der Ticketsuche. Dort hat man die Möglichkeit bei der Verbindungssuche ein Häkchen bei „Fahrradmitnahme möglich“ zu setzen, um eine Fahrradkarte zu buchen. Die zugehörige Infobox enthielt Anfang Juni 2021 noch folgende Informationen.

Screenshot Buchungsvorgang

Der Buchungsvorgang der Fahrkarte Anfang Juni 2021 lief dabei folgendermaßen ab:

  1. Bei der Verbindungssuche Häkchen bei „Fahrradmitnahme möglich“ setzen
  2. Versuch starten, die Wunschverbindung zu buchen
  3. Feststellen, dass die Fahrradstellplätze schon ausgebucht sind
  4. Weitere Verbindungen durchprobieren, bis sich schließlich freie Fahrradstellplätze finden
  5. Gemäß bahn.de ist es jetzt noch erforderlich, den Fahrradstellplatz (kostenfrei) zusätzlich zu reservieren.
  6. Nach langer Suche nach der Reservierungsmöglichkeit feststellen, dass dieser Schritt bei Sparpreisen überhaupt nicht notwendig ist…

Bis August 2021 waren diese Schritte noch gängige Praxis. Man musste sich mehr oder weniger bis zum Ende des Buchungsprozesses einer Verbindung durchklicken, um die Verfügbarkeit von Fahrradkarten einzusehen. Der Plan war, mit dem Zug von Aachen nach Schwerin und nach mehreren Radtouren entlang der mecklenburgischen Seenplatte von Neustrelitz aus wieder zurück nach Aachen zu fahren. Da in diesem Fall der Start- und Zielbahnhof nicht identisch sind, müssen beide Verbindungen getrennt gebucht werden. Daraus ergibt sich also ein doppelter Aufwand. Insgesamt hat das Buchen der Tickets zwei Stunden und vor allem viele Nerven gekostet. Mittlerweile wird bei den Suchergebnissen möglicher Zugverbindungen über ein Piktogramm die Auslastung der verfügbaren Fahrradstellplätzen angezeigt – schonmal ein Fortschritt.

Screenshot Symbol freier Fahrradstellplätze

Durch dieses kleine Piktogramm spart man sich als Kund:in eine Menge Zeit, da man nicht mehr jede einzelne Verbindung auf verfügbare Fahrradkarten überprüfen muss. Der Infotext bei der Verbindungssuche, wo das Häkchen bei „Fahrradmitnahme möglich“ gesetzt wird, wurde ebenfalls aktualisiert.

Screenshot Buchungsvorgang Fahrradmitnahme

Die Reise

Weiter geht es am Tag der Reise. Nicht immer sind die Aufzüge zum Bahnsteig in Betrieb oder bieten gar ausreichend Platz für ein Fahrrad. Im Zweifel muss das Fahrrad zusammen mit dem Gepäck über die Treppen zum Bahnsteig getragen werden. Bei mir wurde diese Problematik dadurch verstärkt, dass sich plötzlich entgegen der Fahrgastinformation, welche den ICE nach Berlin ankündigte, unbemerkt ein anderer verspäteter ICE vor eben diesen geschoben hat.

Mit anderen Radreisenden suchte ich verzweifelt Wagen 21 mit dem Fahrradabteil. Die Zugbegleiterin in Abschnitt E, wo das Abteil sein sollte, antwortete auf unsere Frage, wo denn das Abteil sei: „Der Zug hat keins“. Perplex schauten wir uns an und überlegten, was als nächstes zu tun sei. Mit Hoffnung sind wir noch bis nach vorne gelaufen, aber auch da war kein Fahrradabteil.

Da höre ich von hinten einen der Radler: „Egal jetzt, einfach rein da!“ und ich laufe ohne nachzudenken zur nächsten Tür. An der Tür angekommen steht jedoch das Fahrtziel München Hbf. Ich checke nochmal die Zuginfo am Bahnsteig und tatsächlich hat sich diese nun doch mit dem verspäteten Zug in Fahrtrichtung München aktualisiert. Der Folgezug nach Berlin soll im Anschluss kommen. Da rufe ich nur: „Das ist der falsche Zug, der fährt nach München!“. Die beiden Radler schauten sich verdutzt an und glaubten der Sache nicht ganz, stiegen dann aber doch wieder aus.

Über die Situation scherzend gingen wir wieder zurück zu Abschnitt E und konnten unseren ICE schon vor dem Bahnhof sehen. Ich beobachtete wie der ICE nach Berlin anfuhr und als ich mich wieder umdrehte sah ich, wie alle Fahrgäste plötzlich losrannten. Ohne nachzudenken rannte ich einfach mit meinem Fahrrad hinterher und sehe beim Laufen an der Fahrgastinformation einen Gleiswechsel für den ICE nach Berlin. An einen anderen Bahnsteig. Oben am Bahnsteig angekommen rollte dann auch schon der ICE nach Berlin ein, dann natürlich auch noch mit umgekehrter Wagenreihung, also noch ein Sprint am Bahnsteig entlang…

Fahrradabteil im ICE 4

Am Ende hat sich herausgestellt, dass eine Tür im ICE defekt war, sodass der Ein- und Ausstieg nur noch in Fahrtrichtung rechts erfolgen konnte. Dies brachte so einige Gleiswechsel auch an den nachfolgenden Bahnhöfen mit sich. Eben aufgrund dieser defekten Tür hätte man beim Halt auf der falschen Seite mit dem Fahrrad nicht mehr ein- bzw. aussteigen können.

Fazit

Die Umsetzung der Fahrradmitnahme sowie die Kapazität der Fahrradstellplätze bleibt daher im Fernverkehr noch optimierungsfähig. Neben vollen Fahrradabteilen lässt sich ebenfalls die Problematik beobachten, dass schwerere Pedelecs schwieriger in der Handhabung sowohl beim Ein- und Ausladen wie auch beim Abstellen im Fahrradabteil sind. Tandems, Fahrradanhänger und Co. sind im Fernverkehr nicht zugelassen. Inhaber:innen einer BahnCard 100 müssen für die Buchung eines Fahrradtickets im Fernverkehr ein DB Reisezentrum aufsuchen und dort die gewünschte Verbindung für das Fahrrad buchen. Das sind Aspekte, welche die Bahn bei steigender Anzahl von Pedelecs sowie anderer Fahrradmodelle sicherlich nochmal überdenken muss.

Zum Schluss soll aber auch gesagt sein, dass die anderen Umstiege problemlos von statten gingen und auch die Lust auf eine weitere Fernreise mit Bahn und Fahrrad bleibt – auch wenn die ein oder andere Eskapade wohl nicht ausbleiben wird.